Verhalten von Geflügel
Beim Hausgeflügel handelt es sich um sozial lebende Tiere, die in der Regel in großen Herden gehalten werden. Die meisten Verhaltensabläufe der Einzeltiere werden deshalb durch die soziale Gemeinschaft beeinflusst. Futteraufnahme, Komfortverhalten, Aktivitäts- und Ruhephasen sowie das Nestplatzsuch- und Eiablageverhalten sind in den Herden in hohem Maße synchronisiert.

Sozialverhalten
Basis des Sozialverhaltens bei Geflügel ist die soziale Rangordnung. Einfluss auf die Rangordnung haben Geschlecht, Alter, Größe sowie der hormonelle Status der Tiere. Etwa zwischen der fünften bis zehnten Lebenswoche wird die soziale Stellung in der Gruppe (Rangordnung) durch teilweise heftige Zweikämpfe festgelegt. Frontales Drohen, aggressives Picken und heftiges Stoßen mit den Füßen sind dabei zu beobachten. Besondere Bedeutung für das Wieder erkennen ranghoher Hennen kommt dabei äußeren Faktoren, wie z. B. einem großen, stark gefärbten Kamm oder Kehllappen zu. Die Rangordnung bleibt in der Regel bestehen; weitere Auseinandersetzungen zwischen den Gruppenmitgliedern werden dadurch häufig vermieden. Oftmals reicht ein charakteristisches "Drohen" aus, um bei rangniederen Tieren Unterwerfen, Ausweichen oder Flüchten auszulösen. Ranghöhere Tiere erfüllen teilweise soziale Funktionen, wie z. B. Feindabwehr oder die Beschränkung sozialer Auseinandersetzungen in der Gruppe. Sie haben aber auch Vorrechte bei der Nahrungsaufnahme, dem Trinken und beim Aufsuchen von bevorzugten Sandbade- oder Schlafplätzen. In größeren Gruppen ist die individuelle Erkennung zwischen den Tieren offenbar nicht mehr gegeben, sodass möglicherweise häufiger Kämpfe zwischen den gleichen Hennen ausgetragen werden. Mit zunehmender Gruppengröße steigt daher die Gefahr von Federpicken und Kannibalismus an. Durch heftiges Picken gegen das Federkleid, gegen unbefiederte Körperstellen sowie gegen Kamm, Kehllappen, Kloake oder Ständer kann es zu erheblichen Verletzungen führen, die in der Folge die Entstehung von Kannibalismus begünstigen. Insofern kommt, um ein Ausweichen und Zurückziehen rangniederer Tiere zu ermöglichen, der Strukturierung der Haltungssysteme eine besondere Bedeutung zu.

Fortbewegungsverhalten
Die Fortbewegung ist im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme zu beobachten. Der Rhythmus ist dabei u. a. vom Licht gesteuert und führt bei Hühnern zu Maxima am Morgen und Abend. Küken. In den ersten Lebenstagen erkunden die Küken ihre Umwelt und erweitern dabei ständig ihren Radius im zur Verfügung stehenden Raum. Dabei sind immer wieder "Rennphasen" zu beobachten, die nicht als Fluchtreaktion zu werten sind. Selbst bei unbegrenztem Auslauf entfernen sich Hühner auf freier Fläche selten weiter als 50 m von Stall. Sind Büsche und Bäume in der Nähe, werden zwischen 200 m und 300 m Auslauf genutzt, wobei die Verteilung der Tiere im Auslauf deutlich durch die Strukturen beeinflusst wird.

Nahrungsaufnahme
Bei der Nahrungsaufnahme spielt das Sozialverhalten eine wesentliche Rolle. Die Tiere fressen häufig gemeinsam, angeregt durch akustische Signale wie z. B. Pickgeräusche, Scharren und Futteraufnehmen anderer Tiere. Beim Huhn ist Futterpicken eine angeborene Verhaltensweise. Das Küken pickt bereits direkt nach dem Schlüpfen nach Futter, die Pickgenauigkeit dagegen verbessert sich mit der Erfahrung. Ebenso bildet sich erst im Laufe der Entwicklung eine Bevorzugung u. a. nach Größe, Form, Farbe, Härte und Bewegung aus. Hühner suchen aktiv nach Futter, selbst wenn es im Trog ad libitum angeboten wird. Das Huhn verbringt etwa 40 bis 50% des Tages mit der Nahrungssuche und -aufnahme. Diese ist mit einem steten Wechsel von Scharren, Picken und Weiterschreiten sowie dem Bearbeiten von Nahrung mit dem Schnabel verbunden. Unter natürlichen Bedingungen fressen Hühner gern auch tierische Nahrung wie Würmer oder Insekten und sind im Auslauf auch in der Lage, Frösche oder Eidechsen zu fangen. Häufig kommt es auch zum so genannten Futterrennen, bei dem Hühner mit einem deutlich sichtbaren Futterstück umherlaufen und dabei von Artgenossen verfolgt werden, die versuchen, dieses Futterstück zu erlangen.

Wasseraufnahme bei Geflügel
Die Wasseraufnahme wird vom Junggeflügel entweder durch Zufall gelernt, wenn es mit Wasser in Berührung kommt, oder durch Nachahmung der Glucke bzw. erfahrener Küken. Die für Hühner typische Trinkbewegung verbessert sich durch Übung. Hühner tauchen den Schnabel ins Wasser und heben dann den Kopf, um das Wasser in den Schlund rinnen zu lassen. Das Auffinden des Wassers ist für Küken zunächst problematisch. Es ist daher wichtig, für genügend Wasserstellen in unmittelbarer Nähe und in erreichbarer Höhe der Tiere zu sorgen und diese gut zu beleuchten

Nestplatzsuche - und Eiablage
Vor der Eiablage werden die Hennen unruhig, sie sondern sich zunehmend von der Herde ab, äußern dabei die typischen Gakellaute und zeigen erhöhte Laufaktivität, besichtigen Nester und reduzieren die Nahrungsaufnahme. Zur eigentlichen Eiablage suchen sie ein geschütztes Nest auf. Das Ei wird in der typischen Körperhaltung sitzend, hockend oder stehend abgelegt.

Nest
Wesentlicher Einflussfaktor zur Nestwahl ist dabei der Nestboden. Wahlversuche haben ergeben, dass vor allem die Formbarkeit des Nestbodens für die Nestwahl entscheidend ist. Die Hennen ziehen ein zum Scharren geeigneten Nestboden mit losen Partikeln wie z. B. Einstreu, Spelzen oder ähnlichem eindeutig festen Böden in Abrollnestern vor. Weiterhin werden höher gelegene und dunklere Nester zur Eiablage deutlich bevorzugt. Ein weiterer Einflussfaktor für die Wahl eines Nestes ist das Vorhandensein von Eiern - bereits gelegten oder künstlichen. Häufig drängen sich, auch bei ausreichender Anzahl von Legenestern, mehrere Hennen in Einzelnestern zusammen. In eingestreuten Nestern können Hühner das Eiablageverhalten vollständig ausführen. Im Unterschied zur Verhaltensausführung im Abrollnest können die Hennen hier das Nestmaterial bearbeiten. Sie scharren sich eine Nestmulde, tragen Nistmaterial ein und zeigen Schnabelpicken. Hühner, die das Nest neu betreten, scharren bereits gelegte Eier unter sich.
Die Einstreu im Nest sollte 10 - 15 cm hoch sein, um zum einen ausreichend Material zum Nestbau bzw. Nestmulden zu bieten und zum anderen durch das Einsinken der gelegten Eier einen gewissen Schutz vor Eierfressern zu gewähren. Aufgrund der einfachen Automatisierung bezüglich des Eiereinsammelns sind Abrollnester gegenüber eingestreuten Nestern weit verbreitet. Ein wesentlicher Nachteil der Abrollnester ist, dass den Hennen kein manipulierbares Substrat zur Verfügung steht. Bei diesem Nesttyp ist der Boden geneigt, sodass die Eier vom Ablegeort wegrollen.

Komfortverhalten / Gefiederpflege
Mit Komfortverhalten werden die vielfältigen Verhaltensweisen bezeichnet, die zur Reinigung und Pflege des Gefieders sowie zur Thermoregulation beitragen. Das Gefieder dient der Wärmeisolierung, schützt vor Feuchtigkeit und mechanischen Einwirkungen auf die Haut und hat Funktionen bei der Feindabwehr und der Rangordnung. Weiterhin ist das durch das Gefieder geprägte äußere Erscheinungsbild wichtige Grundlage für das Erkennen von Artgenossen. Zur Gefiederpflege gehört beim Huhn das Putzen mit Hilfe des Schnabels oder der Ständer, das Aufstellen und Schütteln des Gefieders, das ein- oder beidseitige Strecken der Flügel und der Ständer (Flügel-Beinstrecken), das Flügelschlagen sowie das Sandbaden. Alle Geflügelarten wenden sehr viel Zeit für die Gefiederpflege auf. Sie ordnen, richten und fetten ihr Federkleid mit Hilfe des Schnabels. Die Hauptfunktion des Putzens liegt dabei nicht nur in der Sauberhaltung des Gefieders, sondern vor allem in der Erhaltung der Wärmeisolierung. Auch das Federschütteln bringt Ordnung ins Gefieder. Außerdem werden dadurch Fremdkörper wie Sand oder Ektoparasiten entfernt. Mit den Streckbewegungen beim Flügelschlagen und Flügelbeinstrecken beenden Hühner häufig Ruhephasen.

Sandbaden.
Vor allem bei Hühnern ist das ausgiebige Sandbaden, dass ebenfalls der Pflege des Gefieders und dem Schutz vor Parasiten dient, zu beobachten. Sandbaden wird von den Hennen, wenn ihnen geeignetes Material zur Verfügung steht, regelmäßig ausgeführt. Es trägt nicht nur zum Wohlbefinden der Hennen bei, sondern erhält auch die Daunenstruktur des Gefieders. Sandbaden läuft in einer bestimmten Sequenz ab und beinhaltet Schnabelscharren, auf der Seite liegend Scharren mit den Ständern sowie Flügelschlagen. Dabei wird der Sand oder anderes Substrat in das aufgeplusterte Gefieder eingebracht. Die Henne formt dazu im Substrat eine Mulde aus, dreht sich in dieser Mulde von einer zur anderen Seite und streckt jeweils das obenliegende Bein in Richtung des Kopfes. Zum Ablauf gehören ebenfalls zum Teil ausgedehnte Ruhephasen. Als Abschluss erhebt sich das Tier, sträubt das Gefieder und schüttelt in typischer Drehung das Substrat aus dem Gefieder. Der gesamte Vorgang wird teilweise wiederholt und häufig von mehreren Tieren gleichzeitig ausgeführt.

Manfred Kohnert